
Auf dem Weg
zur Mutter des Universums
Von Mario Zeidler
Steigst Du nicht auf die Berge, so siehst Du auch nicht in die Ferne!“ - so lautet ein altes Sprichwort aus China. Und genau beides war mein Ziel. Einem lang gehegten Traum folgend, machte sich eine fünfköpfige Gruppe sportbegeisterter Männer aus Berlin auf den Weg ins ferne Nepal, um von Kathmandu aus eine Trekkingtour ins zentrale Himalaya-Gebirge zu starten.



Trekkingtour durchs zentrale Himalaya-Gebirge zum Mount Everest

„Es ist eine Exkursion zum König der Berge: zum Mount Everest – oder zumSagarmatha („Stirn des Himmels“), wie er auf Nepali heißt – oder Tibetisch Chomolungma („Mutter des Universums“). Diese verschiedenen ausdrucksstarken Namen haben ihren Grund: Die Grenze zwischen Nepal und China verläuft haarscharf genau über den Gipfelpunkt des mit 8848 m größten Berges unseres Planeten. Den englischen Namen hingegen verdankt der Riese seit dem 19. Jahrhundert dem indischen Generalvermesser George Everest.
Religiöse Bedeutung
Die einzigartige religiöse Bedeutung des Mount Everest kommt besonders bei den in der Himalaya-Region lebenden Sherpas zum Ausdruck. Als Buddhisten verehren und achten sie die Natur und alle Lebewesen. Überall und auch in absolut unwegsamen Berglagen wehen die bunten Gebetsfahnen und tauchen die schneebedeckten Bergriesen in ein farbenfrohes Wechselspiel. Auf Bergpässen und an steilen Hängen stehen gesegnete Stupas, drehen sich Gebetsmühlen, sind Felsen, Steine oder Schieferplatten mit heiligen Matras graviert. Das legendäre Bergvolk, das vor allem als unersetzliche Träger und erfahrene Bergführer berühmt ist, wird auch für uns zum Wegbereiter, Helfer, ja, zu Freunden.
Körper muss sich anpassen
Wir sind mit zwei Bergführern und drei Trägern unterwegs. Der Sherpa Krishna ist 38 Jahre alt und leitet unsere somit zehnköpfige Runde auf ihrer 14-tägigen Tour zum Basislager des Mount Everest, die uns auf eine Höhe von rund 5400 m führt. Von Anfang an ist Krishna bemüht, dass wir den kräftezehrenden und kilometerreichen Aufstieg langsam, in wohldosiertem und vor allem gleichmäßigen Tempo, bestreiten. „Slowly“, slowly“ ist sein meist benutztes Wort, unsere Verständigung ist auf Englisch. Es geht um die Anpassung an die Höhe und den damit immer geringer werdenden Luftdruck. Unser Körper muss sich anpassen können ohne jede Hektik, sonst endet die Reise frühzeitig.
Krishna ist in einem Bergdorf nahe dem berühmten Trekkingausgangsort Lukla der Khumbu-Region auf knapp 4000 Metern Höhe geboren, wo er auch heute noch mit seiner Familie lebt. Er ist verheiratet mit Sangita und hat einen neunjährigen Sohn Chris. Das Sherpa-Dorf lebt von Kartoffel- und Reisanbau sowie der Büffel- und Yakzucht.
Wir haben schnell zueinander gefunden, allein deshalb, da Sherpa Krishna wie auch ich das Fotografieren lieben. Oftmals unterbricht der lebenslustige Sherpa unsere stets sechs- bis achtstündigen Tagestouren mit der Ansage, wir sollten ein Foto schießen. Was für ein glücklicher Umstand: Bei all den Anstrengungen im täglichen Auf und Ab über hunderte von Höhenmetern, den unzähligen Hängebrücken und riskanten Gletscherüberquerungen wäre manches Foto sonst nicht entstanden.
Drei Achttausender als Begleitung
Wenn das Wetter – wie bei uns auf der gesamten Tour – mitspielt, ist man jeden Tag aufs Neue überwältigt von dieser berauschenden Bergkulisse. Glaubte ich anfangs beim ersten Blick auf den Berg der Berge bereits das schönste Foto gemacht zu haben, kamen darauf noch unzählige hinzu. Von den 14 Achttausendern dieser Welt begleiteten uns auf der Tour neben dem Mount Everest der Lhotse (8516 m) und der Makalu (8485 m). Als wir am neunten Tag gegen Mittag das Basislager des Mount Everest am zerklüfteten Khumbu-Gletscher erreichen, sind alle Mühen wie vom eisigen Wind hinweggefegt.
Ein gigantisches Erlebnis
Die Reise war ein gigantisches Erlebnis, das alle Erwartungen übertroffen hat. Auch hier war der Weg das Ziel! Wenn wir in einer Höhe um 5000 m früh morgens um 6 Uhr bei minus 15 Grad aufbrachen, war es trotz allem ein Gefühl des Einssein mit einer unglaublich faszinierenden Natur, die es zu bewahren gilt. Wieder in Berlin akklimatisiert, glaubt mir keiner in der Familie mehr, wenn ich hier über Kälte klage…
Fotos: Mario Zeidler
